Als Hana durch Zufall über einen Zeitungsbericht stolpert, ist das wie eine Zeitreise in ihre Vergangenheit. Als 17-Jährige eröffnete sie mit der älteren Kimiko eine Bar und begann den Abstieg ins kriminelle Milieu. Eben diese Kimiko soll nun in ihrer Wohnung eine Frau festgehalten und sie misshandelt haben. Hana versucht, ihre Freundinnen von damals zu kontaktieren und denkt zurück an ein Leben voller harter Arbeit, ständiger Rückschläge und finanzieller Sorgen.
„Das gelbe Haus“ ist der neuste Roman der Autorin Mieko Kawakami; die deutsche Übersetzung verfasste Katja Busson. Der Titel bezieht sich auf ein Haus, in das Hana, Kimiko und Hanas Freundinnen Ran und Momoko im Verlauf der Handlung gemeinsam einziehen. Es ist ein Symbol für einen sicheren Hafen und einen Platz im Leben, auch wenn sich dort nicht immer nur Positives abspielt. Im Fokus der Geschichte steht Protagonistin Hana, aus deren Ich-Perspektive in der Vergangenheitsform erzählt wird.
Hanas Einstieg ins Rotlichtmilieu scheint unvermeidbar, denn auch ihre Mutter arbeitet als Hostess in einer Snackbar und unterstützt ihre Tochter kaum. Anders fühlt sich alles bei Kimiko an, einer Bekannten der Mutter, die Hana wahrnimmt, etwas mit ihr unternimmt und mit der sie dann gemeinsam ins Bargeschäft einsteigt. Dabei befindet Hana sich in einem echten Teufelskreis: sie ist minderjährig und hat keinen Ausweis – wo soll sie sonst arbeiten, wenn nicht im Milieu? Doch einmal dort angelangt, scheint der Ausstieg unmöglich.
„Das gelbe Haus“ ist auf der einen Seite eine Geschichte über eine Wahlfamilie, die sich gegenseitig Halt gibt, die aber auch von der Realität des Lebens regelmäßig auf die Probe gestellt wird. Auf der anderen Seite geht es um das Rotlichtmilieu, das vielen Menschen Arbeit gibt, die anderswo keine finden würden. Dafür bezahlen sie mit ihrer Sicherheit, erleiden Gewalt durch Kunden, müssen sich vor der Yakuza in acht nehmen und scheinen in einem endlosen Hamsterrad gefangen – ohne Aussicht auf Erfolg. Mieko Kawakami ist hier eine emotionale Milieustudie gelungen, wenn es auch lange dauert, den Bogen zum Zeitungsartikel am Anfang zu schlagen.