Hintergrundwissen macht den Roman cool.
Der Roman „Das Gartenzimmer“ ist mehr die Geschichte eines Hauses als eine Familiengeschichte, auch wenn der Roman auf den ersten Blick wie eine Familiengeschichte daherkommen mag. Es ist ein historischer Roman, der nur sanft verbrämt, worum es sich in Wirklichkeit handelt. Spätestens als Alfred Rosenberg seinen unschönen Auftritt hat, müssten bei der Leserschaft rote Lampen aufleuchten und sie, falls kein Fachwissen vorhanden, in die Arme einer Suchmaschine treiben.
Andreas Schäfer schildert sowohl die Entstehungsgeschichte des vom Autor in den Grunewald versetzten „Hauses Rosen“ , entworfen von dem Jungarchitekten „Max Taubert“, wie auch seinen einsetzenden und wieder nachlassenden Bekanntheitsgrad, sowohl des Architekten wie auch des Hauses. Er erzählt von dessen relativer Vernachlässigung durch die Zeiten und seiner Renovierung beziehungweise Neuerstehung. Dabei schreibt er notwendigerweise auch von den Menschen, die das Haus besaßen und von denjenigen, die darin wohnten und davon, was „das Haus“ mit ihnen gemacht hat.
Dabei sind die Ähnlichkeiten mit dem Haus Riehl in Potsdam, entworfen von Ludwig Mies van der Rohe, so frappant und auch im Laufe der Erzählung erkennen wir so viele historische Details aus dem Leben van der Rohes wieder, dass wir mit Fug und Recht annehmen dürfen, dass Schäfer von diesem historisch bedeutsamen Erstlingswerk van der Rohes spricht. Gerade dass der Autor nicht damit herausrückt, um welches Gebäude es sich handelt und der Leser dies entweder wissen muss oder herausfindet, macht den Roman zu einer coolen Socke. Wir haben einen historischen Roman vor uns, der durch die Verfremdung der Namen erst einmal vorgibt, kein historischer Roman zu sein.
Natürlich ist die Geschichte trotzdem ein Roman und kein Sachbuch, historische Fiktion, aber die Nähe erstens zum Haus Riehl und zweitens zum Architekten van der Rohe macht den Roman besonders. So erfahren wir nebenbei, wo van der Rohe sich sonst noch so aufhielt, sein USA-Aufenthalt wird erwähnt, und was er so gebaut hat, mit welchen Schwierigkeiten er zu kämpfen hatte, nicht eins zu eins, aber doch. Es ist von der Weißenseesiedlung in Stuttgart die Rede, vom Zehlendorfer Dächerstreit, und und und. Übrigens sind Fotos von dem heute noch existierenden Haus Riehl im Netz zu finden.
Die Story ist in keiner Weise süßlich, hebt sich wohltuend sachlich von Romanen ab, die man ansonsten von historischer Fiktion gewohnt ist, aber natürlich muss der Autor sein Haus auch bevölkern.
Der Grad der Besessenheit seiner Eigentümer von dem Haus und dessen Modernität und seinen Lichtverhältnissen und strengen Linien, sind nicht immer nachvollziehbar. Auch an die Auftritte des Architekten himself mache ich gelegentlich einige Fragezeichen. Andererseits, könnte es nicht so ähnlich gewesen sein? Der Autor mischt hier Fiktion und bekannte Tatsachen recht geschickt.
Das einzige, was stört, ist der überaus lange Anlauf, den der Autor nimmt, bis er mit der Sprache herausrückt, was mit dem Haus los ist. Wenn er danach noch lang und breit über den Lebenslauf seiner Protagonisten spricht, ist man schon etwas müdegelesen. Ein kürzerer Aufsprung wäre hilfreich gewesen, das lebhafte Interesse des Lesers zu halten.
Fazit: Ein lesenswerter Roman über ein historisches Bauwerk, das überaus geschickt und ziemlich cool, Wissen vermittelt und, soweit nicht sowie so schon vorhanden, Interesse an Architektur weckt.
Kategorie: historischer Roman
Verlag: DuMont, 2020