Liebeskummer tut weh, in jedem Alter. Oftmals weiß das Umfeld jedoch nicht so recht, wie es damit umgehen soll. Dabei braucht man genau in dieser Situation Beistand – nicht nur emotional, sondern auch intellektuell.
Michèle Loetzner hat mit »Liebeskummer bewältigen in 99 Tagen« ein kluges Buch geschrieben, das hilft. Eingeteilt in drei Blöcke – Zurückerinnern, Kompensieren, Loslassen – liefert dieses Buch entscheidende Denkanstöße, genügend Raum für eigene Aufzeichnungen und Antworten darauf, warum unsere Psyche in Liebeskummerangelegenheiten nicht so funktioniert, wie sie sollte. 99 Tage lang. Immer auf Augenhöhe. Aber mit Humor und auf Basis der aktuellen Forschung.
Auf Instagram hat es in dieser Woche ein Community-Interview mit Michèle Loetzner gegeben, in dessen Rahmen der Autorin sowohl Fragen zum Buch als auch allgemeine Fragen zum Thema Liebeskummer gestellt worden sind. Das Video-Interview ist auf unserem Instagram-Account als Story-Highlight festgepinnt.
Für alle, die kein Instagram haben, gibt es das Interview hier nun auch in Form eines Transkripts.
Community-Frage 1: Wie ist es zu der Buch-Idee gekommen?
Die Idee für das Buch hatte ich tatsächlich aus einer beruflichen Perspektive heraus. Ich bin Journalistin und ich habe mich darüber gewundert, dass es – obwohl es so viele wissenschaftliche Erkenntnisse über Liebeskummer gibt – sehr wenige Bücher dazu gibt und noch viel weniger gute Bücher dazu gibt, die den Leser bzw. die Leserin ernst nehmen.
Community-Frage 2: Zielt das Buch auf eine bestimmte Altersgruppe ab? Wem würdest Du es am ehesten ans (gebrochene) Herz legen?
Nein. Das Buch trifft nicht nur auf eine bestimmte Altersgruppe zu. Es ist für jeden gedacht, denn Liebeskummer kann man in jedem Alter haben, und Liebeskummer tut mit 18 genauso weh wie mit 81. Weil: gleiches Herz, gleicher Kummer.
Community-Frage 3: Liebeskummer kann wirklich heftig sein. Hast Du eine Ahnung, warum Liebeskummer von vielen Leuten immer noch belächelt oder als Gefühlsduselei abgetan wird?
Liebeskummer wird in unserer Gesellschaft immer noch als Bagatelle abgetan, als Teenager-Krankheit, was erstens unsinnig ist und zweitens gemein. Dazu gibt es ein langes Kapitel über Trauma-Forschung in meinem Buch, denn Trauma-Opfer haben die gleichen Symptome wie Menschen mit Liebeskummer – deswegen sollte man Liebeskummer auch ernst nehmen. Immerhin kann man an einem gebrochenen Herzen auch sterben. Ich hoffe, dass hier keiner an einem gebrochenen Herzen stirbt und ich hoffe, dass mein Buch dabei hilft, den Liebeskummer zu verstehen – zu verstehen, was im Körper passiert, was biochemisch passiert und was gesellschaftlich passiert. Männer und Frauen werden im Liebeskummer unterschiedlich behandelt und verhalten sich auch unterschiedlich. Ich glaube: Wer versteht, der kann auch loslassen.
Community-Frage 4: Wahrscheinlich kann man das so allgemein nicht beantworten. Ich frage trotzdem: Ist der erste *echte* Liebeskummer Deiner Meinung nach immer der schlimmste?
Puh ... der erste *echte* Liebeskummer? Ja, was ist denn echt? Wie definiert man das denn? Ich glaube, dass Liebeskummer immer wehtut. Und ich glaube, umso älter wir werden, desto mehr Kompensationsstrategien eignen wir uns an, um mit dem Liebeskummer umzugehen. Aber der Schmerz bleibt immer gleich. Den Schmerz kann man übrigens auch wissenschaftlich messen, in welcher Hirnregion er stattfindet und vor allen Dingen, in welchem Stärkeareal er anspringt. Deswegen kennt – glaube ich – jeder den Moment, wenn man nicht mehr essen kann, wenn man nicht mehr schlafen kann, wenn man nicht mehr denken kann. Liebeskummer ist tatsächlich keine Kleinigkeit.
Community-Frage 5: Eignet sich das Buch für jegliche Art von Liebeskummer (vom Liebeskummer verursacht durch Fremdgeher bis zum Ghoster)? Gibt es da – gefühlsmäßig – überhaupt Unterschiede?
Ja, ich glaube, dass sich das Buch für jede Art von Liebeskummer eignet. Natürlich gibt es bestimmte Themen, die andere Bücher noch tiefer beleuchten und unter die Lupe nehmen. Ich habe aber an jedem Kapitel ein Glossar angehängt und es gibt ein großes Literaturverzeichnis. Das heißt, wenn man zum Beispiel tiefer in die Materie Ghosting einsteigen will (oder Narzissmus oder wenn es im Betrug geht), dann gibt es im Anhang des Buches eine sehr lange Literaturliste, wo sich die Leserin bzw. der Leser noch weiter informieren kann.
Community-Frage 6: Wie gehe ich am besten mit Erinnerungsstücken einer Beziehung um (Liebesbriefe, Kinokarten usw)?
Ich glaube, das ist individuell. Was ich aber aus der Sicht der Wissenschaft sagen kann, ist, dass es auf alle Fälle besser ist, die Sachen erst einmal alle wegzuräumen, insofern das möglich ist. Wenn man jetzt eine Couch gemeinsam gekauft hat, ist es vielleicht ein bisschen schwierig. Aber Fotos, Briefe, Postkarten, all solche Dinge: erst einmal aus den Augen, aus dem Sinn. Ganz klar.
Community-Frage 7: Liebeskummer ist noch nie angenehm gewesen. In Zeiten von Social Media ist er vielleicht noch quälender, weil man Ex-Freund*innen ständig im Blick hat. Wird dieser Aspekt im Buch beleuchtet?
Social Media … der Horror für Menschen mit Liebeskummer. Ich glaube, jeder kennt es, dass man nach einer Trennung auf Instagram mit einem Fake-Account möglicherweise die Stories von einem Ex-Partner stalkt (ich spreche hier nicht aus ... doch, ich spreche aus Erfahrung). Oder auf Facebook oder Twitter oder welche Art von Social Media der Ex-Partner eben benutzt. Und das ist Gift, das ist ganz böse. Aufhören, sofort, auf der Stelle – das macht alles nur noch viel, viel schlimmer.
Community-Frage 8: Hast Du einen Tipp, wie man einer betroffenen Freundin am allermeisten helfen kann? Und was sollte man bei Liebeskummer vermeiden?
Jeder Mensch braucht etwas anderes, wenn er trauert. Es gibt Menschen, die wollen ganz viel reden und es gibt Menschen, die wollen ganz viel schweigen. Es gibt Menschen, die wollen sich besaufen, andere fangen plötzlich an, super viel Sport zu machen. Aber als Freundin oder Freund hilft man, wenn man zuhört. Das klingt jetzt nach so einer ollen Kamelle, aber Zuhören hat ja verschiedene Formen. Man muss nicht unbedingt lösungsorientiert dabei denken. Klar wäre es schön, wenn man eine Lösung anbieten könnte, aber es gibt meistens im Liebeskummer keine Lösungen. Meistens wollen die Menschen, die Liebeskummer haben, auch keine wirkliche Lösung parat haben. Die wollen einfach darüber reden. Und als Freundin sollte man zuhören. Wenn man aber merkt, man kann nicht mehr, man muss auch sich selber schützen, dann darf man das auch sagen. Und da hilft es vielleicht, wenn man die Wissenschaft fragt, denn die ist neutral. Der beste Freund oder die beste Freundin kennen den Ex-Partner oder die Ex-Partnerin meistens auch. Die sind auf eine gewisse Weise auch parteiisch ...
Community-Frage 9: Kennst Du jemanden, bei dem diese Gute-Freunde-bleiben-Idee funktioniert hat?
Ob ich jemanden kenne, bei dem die Idee »Wir bleiben gute Freunde« funktioniert hat? Definiere »Gute Freunde« ...
Nein, glaube ich nicht. Also, ich glaube schon, dass man sich darüber klar sein muss, warum man jemanden mal sehr mochte und dass das wahrscheinlich nicht von einem Tag auf den anderen aufhört. Ich glaube nicht, dass man sofort befreundet sein kann, ich bin mir nicht einmal sicher, ob man gut befreundet sein kann, weil man ja nie in den anderen reinschauen kann und nicht weiß, was der andere vielleicht noch für Gefühle hat und welche Hoffnungen man damit vielleicht pflegt. Aber man sollte schon einen freundlichen Umgang miteinander haben. Und ich glaube schon, dass man wieder irgendwann gut miteinander auskommen kann. Ja, das auf alle Fälle.
Community-Frage 10: Verläuft ein Liebeskummer klassischerweise immer gleich?
Ja, Liebeskummer verläuft immer gleich. Allerdings bedeutet »immer gleich«: abhängig von der Person, die ihn hat, weil wir natürlich als Kind Kompensationsstrategien lernen, die wir dann auch als Erwachsene weiterführen. Das heißt, wenn jemand bei den letzten drei Liebeskummern als erstes zum Schnaps gegriffen hat und dann ein Ticket nach keineAhnungwohin gebucht hat oder Bungee-Jumping oder sonst irgendwas Verrücktes gemacht hat, dann wird er das wahrscheinlich beim vierten und fünften Mal genauso machen, insofern er nicht darüber nachdenkt. Aber Liebeskummer verläuft nicht bei jedem Menschen gleich. Was gleich abläuft, sind die biochemischen Vorgänge, wie unser Körper auf so einen Schock reagiert, wie unser Körper auf so eine Veränderung reagiert – und leider auch ganz oft, dass wir denken, dass unsere Gesellschaft und unser Umfeld von uns erwarten. Und da erwartet die Gesellschaft interessanterweise – wer hätte es gedacht – von Frauen etwas anderes als von Männern. Wir haben also noch viel zu tun, was Feminismus und Geschlechterdemokratie angeht.
Community-Frage 11: Schwächt das Buch den Liebeskummer ab oder sorgt es dafür, dass er schneller vorbei ist?
Ja, das hoffe ich doch, dass er schneller vorbeigeht. Ich bin davon überzeugt (vor allen Dingen nach alldem, was ich gelesen und recherchiert habe), wenn man versteht, was mit einem passiert und warum es mit einem passiert und dass man auf manche Dinge eben auch überhaupt keinen Einfluss hat, weil die Natur uns so gemacht hat, dann geht's schneller vorbei und dann kann ich besser loslassen. Klar.
Foto: © Christian Brecheis