14 Fragen und Antworten zur documenta 14: Kunsthistoriker Christian Saehrendt im Interview

08.06.2017
14 Fragen und Antworten zur documenta 14: Kunsthistoriker Christian Saehrendt im Interview

1. Ist die documenta die wichtigste Kunstausstellung der Welt?

Ja! Fragt man Fachleute und Kunstfreunde nach dem wichtigsten Forum für Gegenwartskunst, werden die documenta und die Biennale von Venedig stets zuerst genannt, danach folgen die Kunstmessen Art Basel und Frieze.

2. Was ist das Besondere an dieser Ausstellung?

Es ist der Versuch, mithilfe eines Intendantenmodells einen großen intellektuellen Wurf zu wagen: für 100 Tage die Kunst der ganzen Welt an einem Ort zu versammeln und zu erklären, was Kunst über den Zustand der Welt aussagen kann.

3. Warum findet die documenta in Kassel statt?

Ursprünglich war es eine kulturelle Ausgleichsmaßnahme für die ungünstige Randlage Kassels im geteilten Deutschland. Später hat sich der Standort bewährt: zentrale Lage in Mitteleuropa, effektive Organisation und eine kooperative Stadtverwaltung.

4. Und warum diesmal auch in Athen?

Die Doppelausstellung Kassel-Athen gehört zum Plan des amtierenden documenta-Leiters, der documenta mehr Bedeutung zu verschaffen, indem sie nicht nur im ruhigen Kassel, sondern auch im Krisengeschüttelten Athen Kunst zeigt und Diskussionen anregt.

5. Wer ist eigentlich Adam Szymczyk?

Der Leiter der documenta 14 ist ein international erfahrener Kurator und stammt aus Polen. Er war lange Zeit Leiter der Kunsthalle Basel und ist mit einer griechischen Künstlerin liiert. Szymczyk steht für eine gesellschaftskritische und konzeptuelle Kunstauffassung.

6. Wie wird man documenta-Leiter?

Man wird gefunden! Von einer Findungskommission, die aus internationalen Fachleuten besteht.

7. Wie kommt man in die Findungskommission?

Man wird gefunden! Von der documenta GmbH, einer gemeinnützigen Gesellschaft, die von der Stadt Kassel und dem Land Hessen getragen und finanziert und durch die Kulturstiftung des Bundes unterstützt wird. Die documenta GmbH organisiert die Ausstellung seit bald 60 Jahren.

8. Wie wird man documenta-Künstler?

Auch hier gilt: Man wird gefunden! Vom Kurator und seinem Team. Selbstbewerbung ist sinnlos. Stattdessen die Frage: Findet mich das Glück?

9. Muss ich nach Kassel und Athen reisen?

Nein. Man kann die documenta auch verstehen, wenn man nur nach Kassel reist – das sagt das documenta-Team selbst. Die Künstler sollen je ein Werk für beide Städte schaffen. Wer es sich leisten kann, beide Standorte zu besuchen, bekommt natürlich ein plastischeres Bild der ganzen Sache – das ist aber eher was für Kuratorenprofis oder Szymczyk-Groupies.

10. Ich habe leider wenig Zeit. Was sollte ich mir anschauen?

Wer wenig Zeit hat, sollte sich auf den traditionellen Kern der Ausstellung in Kassel konzentrieren. Die Hauptausstellungsstandorte der Innenstadt liegen nahe beisammen: Fridericianum, documenta-Halle, Neue Galerie und Grimmwelt. Hier kann man schon an einem halben Tag sehr viel sehen.

11. Wie viele Kunstwerke muss ich mindestens gesehen haben?

Weniger ist mehr! Nicht den Fehler machen, sich alles systematisch anzusehen, Werk für Werk, Etage für Etage! Lieber auf wenige Sachen konzentrieren, sich ausgewählte Werke (über die man sich vielleicht schon im Vorfeld informiert hat) in aller Ruhe anschauen.

12. Wird bei der documenta schöne Kunst zu sehen sein?

Klassische Schönheit, die Harmonie ausstrahlt und Erbauung spendet, wohl eher nicht. Bei einer intellektuellen Veranstaltung wie dieser stehen Inhalte und Konzepte im Mittelpunkt. Es wird sicher viele hässliche (also dokumentarische) Bilder und Artefakte geben und eher unangenehme Themen.

13. Wie kann ich den documenta-Besuch möglichst nachhaltig gestalten?

Notizen machen, fotografieren (nicht wahllos, sondern bewusst) und ggf. eine Führung buchen. Die documenta-Führer heißen diesmal „Choristen“. Sie wurden eigens dafür trainiert, mit den Besuchern zu diskutieren. Sie dürfen den documenta-Choristen alles sagen, sie alles fragen oder sich bei ihnen über alles beklagen. Nutzen Sie diese Gelegenheit – Sie haben ja dafür bezahlt!

14. Wie kann ich mich optimal vorbereiten?

Lesen! Die ersten offiziellen documenta-Bücher erscheinen Anfang April, ein Reader und ein Tagebuch, zusammen satte 1000 Seiten. Wer nicht bis April warten will und wer es übersichtlicher und pointierter mag, greife zu: